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An die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, am 27. April vorigen Jahres überreichten wir bei unserem ersten erinnerungs- und geschichtspolitischem Mahngang im Bundeskanzleramt einen Appell1, den das Referat 211 des Bundeskanzleramts am 3. Juni 2014 knapp und für uns wenig zufriedenstellend beantwortete.


2 Die Verbände und Vereine, die den damaligen Appell unterzeichnet hatten, erwiderten deshalb am 9. Juli 2013.3

Außerdem verschickte die Arbeitsgruppe Anerkennung – Gegen Genozid, für Völkerverständigung e.V. im Sommer 2013 geschichts- und erinnerungspolitische Wahlprüfsteine an die damals im Bundestag vertretenen Parteien. Diese Wahlprüfsteine enthielten erneut die vier in unserem Appell gestellten Fragen. Die Antwort der CDU/CSU fiel ambivalent bzw. halbherzig aus. Denn neben begrüßenswerten Äußerungen wurde unsere Bitte um eine juristisch substantiierte Stellungnahme zum Genozid an Christen im Osmanischen Reich abgelehnt.4

Wir meinen, dass die rechtliche Bewertung von Staatsverbrechen nicht von außenpolitischen Konjunkturen abhängen darf, insbesondere nicht, wenn eine Frist von einhundert Jahren fortgesetzter Leugnung oder Verharmlosung seitens des Nachfolgestaates verstrichen ist. Und kann eine Versöhnung stattfinden, falls das Erinnern der Nachfahren der Opfer an die historische Tatsache des Genozids und dessen Anerkennung durch die Nachfahren der Täter nicht Grundlage des Versöhnungsprozesses sein soll und stattdessen die Erinnerung als Störung und Verweigerung diffamiert wird?

Der Genozid an über drei Millionen Christen im Osmanischen Reich betrifft außer 1,5 Millionen Armeniern und über einer Million Griechen bis zu 652.000 Aramäer/Assyrer. In der Genozidforschung gilt dieses Verbrechen als Tatsache, und das Ausweichen des bundesdeutschen Gesetzgebers, der Bundesregierung sowie der im Bundestag vertretenen Parteien vor einer substantiierten Benennung der Verbrechen ist weder moralisch, noch wissenschaftlich, noch politisch zu rechtfertigen.

Die in Deutschland lebenden Nachfahren der Opfer – Armenier, Aramäer/Assyrer sowie kleinasiatische und pontische Griechen -, aber auch eine wachsende Anzahl türkeistämmiger MitbürgerInnen erwarten von der Bundesregierung, der CDU-CSU-Fraktion als der größeren der beiden Regierungsparteien sowie vom deutschen Gesetzgeber insgesamt eine klare, unmissverständliche Position, wenn es um Genozid geht.

Daher appellieren wir ein Jahr vor dem Hundertjahres-Gedenken an den Genozid an 1,5 Mio. Armeniern bzw. über 3 Millionen Christen im Osmanischen Reich: Setzen Sie sich bitte persönlich dafür ein, dass Regierung und Bundestag ihre bisherige Position der Halbherzigkeit endlich beenden und die damaligen Verbrechen bei ihrem einzigen juristisch zutreffenden Namen nennen: als Genozid entsprechend der UN-Konvention von 1948, deren empirische Grundlage sie neben der Schoah bilden.

Darüber hinaus erinnern wir an die leider anhaltende Aktualität unserer Forderung, die Opfer von Völkermord und ihre Nachfahren vor gezielter Leugnung der Verbrechen zu schützen. Bekanntlich gehört es zu den Dienstaufgaben türkischer Diplomaten, bei öffentlichen wissenschaftlichen oder kulturellen Veranstaltungen im Ausland zu intervenieren, falls diese den Genozid an Armeniern und anderen christlichen Volksgruppen thematisieren. In Deutschland erfolgte die letzte derartige Intervention, als das Theater Konstanz im März 2014 die Bühnenfassung des preisgekrönten Romans „Das Märchen vom letzten Gedanken“ des deutsch-jüdischen Autors Edgar Hilsenrath aufführte. Dabei erreichte das türkische Generalkonsulat, dass der Theaterintendant die türkische Leugnungsversion vor jeder Aufführung verliest sowie auf der Webseite des Theaters veröffentlichte. Allerdings ist Genozidleugnung keine beliebige Meinung. Unsere Forderung nach dem Schutz der Opfer vor Leugnungstaten bleibt darum weiterhin aktuell, zumal angesichts zunehmender Veranstaltungen im Verlauf des Gedenkjahres mit Wiederholungstaten gerechnet werden muss.

Wir freuen uns auf Ihre zeitnahe Antwort und verbleiben

 

Mit Hochachtung

 

(in alphabetischer Folge):

Arbeitsgruppe Anerkennung (AGA) e.V.

Arbeitsgruppe Armenier, Pontos-Griechen, Assyrer/Aramäer, Dersim Alewiten, Ezidis und Kocgiris (AG AGADEK)

Armenischer Akademiker Verein 1860 (AAV 1860) e.V.

Armenische Gemeinde zu Berlin e.V.

Armenische Kirchen- und Kulturgemeinde Berlin e.V.

Assyrische Demokratische Organisation (ADO) e.V.

Bundesverband der Aramäer in Deutschland e.V.

DurDe!_Initiative Deutschland

Föderation Suryoye Deutschland – HSA e.V.

Hellenische Gemeinde zu Berlin e.V.

Institut für Armenische Fragen e.V.

Solidaritätsgruppe Turabdin und Nordirak

Verband der Vereine der Griechen aus Pontos in Europa e.V. (OSEPE)

Verein der Völkermordgegner e.V.

Zentralverband der Assyrischen Vereinigungen in Deutschland und Europäischen Sektionen e.V. (ZAVD)

2 http://www.aga-online.org/news/attachments/AGA_Antwort_Bundeskanzleramt_03062013.pdf

 

4 Mit folgender Begründung: „Allerdings ist es fraglich, ob eine offizielle Bezeichnung der damaligen schrecklichen Vor-gänge als Völkermord beziehungsweise Genozid durch den Deutschen Bundestag einen Aussöhnungsprozess zwischen Armeniern und Türken und die historische Aufarbeitung in der Türkei fördern würde. Hier ist eine intensive Prüfung notwendig. Dies ändert aber nichts an der grundsätzlichen Einschätzung, dass 1915 an den Aramäern [sic!] ein Völkermord begangen wurde und auch die Menschenrechte anderer christlicher Gruppen massiv verletzt wurden.“

 

 



 

Geschrieben von: HSA am 17.04.2014

 

 

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